5. Juni 2010

Volders- Engadin - Flüelapass - Ofenpass - Umbrailpass - Stilfser Joch - Gaviapass - Val di Sole - Passo Tonale- Mendelpass - Kaltern - Bozen - Brenner - Volders
Gesamtstrecke: 570 km
Gesamtzeit: 11,5 h

 

 Unglaublich - endlich strahlendes Wetter nach diesem grausligen Mai! Am Abend überlegte ich mir schon verschiedene Tourenvarianten. Das Stilfser Joch hat immer noch Wintersperre, ich möchte aber endlich den Gaviapass erfahren. Dann muss die Route eben über die Schweiz führen.

Um 6.15 Uhr früh starte ich die Maschine, die Sonne strahlt bereits. Es ist frisch, aber nicht kalt. Heute soll die Temperatur bis auf 28 Grad steigen. Da kann ich mich schon in luftige Höhen wagen, auch wenn dort sicher noch Schnee zu erwarten ist.

 

Über die Autobahn geht die Fahrt geschwind nach Landeck, durch den Tunnel Richtung Nauders. Bei Lafairs biege ich kurz auf die alte Landesstraße, deren Streckenverlauf interessanter als die Schnellstraße ist. Gleich nach Pfunds setze ich den Blinker nach rechts und biege auf die Engadiner Bundesstraße ab. Bei Martina überschreite ich die Grenze und fahre praktisch alleine durch das Engadin.

 

Bei Susch lockt mich das Hinweisschild nach rechts zum Flüelapass von meiner eigentlich geplanten Route weg. Geschwind geht es die ersten Kehren hinauf, dann kommen kleinere Kurven. Überall wird die Straße nach den Winterschäden ausgebessert und ich muss 3 Mal bei einer Ampel den Gegenverkehr abwarten. Insgesamt ist noch fast nichts los. Ich bin der einzige Motorradfahrer am Weg hinauf. Es ist ja auch erst knapp 1/2 9 Uhr morgens.

 

Am Flüelapass befreit ein Bagger gerade den Parkplatz vom letzten Schnee. Es ist frisch und ich bin froh, dass ich warm angezogen bin. Links und rechts der Straße türmen sich immer noch die Schneemassen. Die Straße selbst ist aber bis auf wenige Stellen trocken. Ich mache ein paar Fotos und kehre wieder um, dann nach Davos lockt es mich heute nicht.

 

Am Weg hinunter kann ich den Blick über das ganze Tal schweifen lassen. Neben der Straße parken recht viele Autos und die ersten Tourengeher kommen schon wieder zurück. Die sind vermutlich noch früher aufgestanden als ich.

 

Zurück in Susch geht es auf der ursprünglich geplanten Route weiter über Zernez Richtung Ofenpass.  Kurz vor dem Ofenpass (2149m) werde ich von der Polizei an einem Unfall vorbei gelotst. Die Feuerwehr befreit gerade ein Unfallopfer mit der Bergeschere aus dem total zerstörten Fahrzeug. Da wird einem schon kurz mulmig im Bauch. Über den Ofenpass geht es bei nach wie vor wenig Verkehr nach St. Maria. Dort tanke ich vorsichtshalber die V-Strom noch einmal randvoll, damit ich den Rest der Tagesstrecke auskomme. Von hier könnte man ins Val Müstair abbiegen, aber das nehme ich mir für ein anderes Mal vor.

 

Letzes Jahr bin ich vom Stilfser Joch herunter gekommen, nun geht es in die Gegenrichtung nach Süden. Inzwischen sind schon deutlich mehr Motorräder unterwegs und fahren mehr oder weniger flott die steile Straße nach oben. Ein kleiner Teil der Straße im oberen Bereich ist immer noch ungeteert, aber auch mit Straßenmaschinen problemlos befahrbar.

 

Noch ein kurzer Fotostopp auf der Passhöhe. Nun fahren immer mehr Biker an mir vorbei, das schöne Wetter lockt alle nach draußen. Der Blick hinauf auf das Stilfser Joch zeigt, dass hier der Winter noch lange nicht vorüber ist. Ein paar Höhenmeter tiefer stehen ca. 20 Motorradfahrer an der Abzweigung zum Stilfser Joch. Ich brauche nur eine Sekunde um mich zu entscheiden und ich setze den Blinker nach links. Schon geht es zwischen teilweise 2 Meter hohen Schneewänden hinauf auf das Joch. Mit 2757m Seehöhe ist es der höchste Gebirgspass in Italien.

 

Hier müssen erst noch die Schneefräsen an die Arbeit, bevor die Straße wieder frei gegeben werden kann. Aber es dauert sicher nicht mehr lange, bis sich wieder hunderte Motorradfahrer die insgesamt 48 Kehren unter die Räder nehmen.

 

Nach kurzer Rast in der Sonne schwinge ich mich wieder in den Sattel und trete die Fahrt ins Tal an. Die Südrampe des Stilfser Joches ist von der Streckenführung nicht ganz so spektakulär wie die nordostseitige Strecke, aber trotzdem ein reines Fahrvergnügen. Mehrmals bleibe ich stehen, um die herrliche Aussicht zu genießen.

 

Im Tal wird es nun schon spürbar wärmer und ich öffne immer wieder ganz das Visier, um die Luft unter den Helm strömen zu lassen. Schließlich bleibe ich stehen und nehme das Innenfutter aus der Jacke. So ist es schon viel angenehmer.  In Bormio folge ich den Wegweisern in Richtung Passo Gavia. Wieder habe ich Glück, es gibt nur ganz wenig Verkehr. Die ganze Strecke bis zum Pass überhole ich nur ein Fahrzeug. Kurz vor der Passhöhe stehen viele Fahrzeuge am Straßenrand. Überall sieht man die Tourengeher, die entweder schon wieder zum Auto zurückkehren oder sich erst auf den Weg machen.

 

Auf der Passhöhe tummeln sich viele Radfahrer. Hut ab, diese Schinderei wäre nichts für mich!
Es liegt nach wie vor sehr viel Schneee auf den Bergen und trotz des schönen Wetters ist es recht frisch. Ich überlege kurz, ob ich etwas essen soll, beschließe dann aber doch weiter zu fahren. Noch ein Schluck aus der Saftflasche und schon geht es in vielen Kurven und Kehren wieder bergab.

 

Die Straße ist teilweise recht mitgenommen und der Schnee reicht oft weit in die Fahrbahn herein. Teilweise ist die Fahrbahn nur einspurig, sodass nicht einmal ein PKW und ein Motorrad aneinander vorbei kommen. Teilweise gibt es keine Leitplanken und direkt neben der Straße geht es in die Tiefe. Schwindelig sollte man hier nicht sein ;-)
Glücklicherweise ist wenig Verkehr und ich muss nur einmal stehen bleiben, um ein Auto vorbei zu lassen. Es begegnen mir nun laufend Rad- und Motorradfahrer, die bergwärts unterwegs sind.

 

In Fonte die Legno angekommen suche ich die Straße Richtung Bozen. Bei flotter Fahrt geht es nun durch das val di Sole über den Passo Tonale. Die Kurven lassen sich beschwingt nehmen und ich komme schnell weiter. Die Passhöhe selbst ist nicht besonders attrativ, wie eben ein Winterskigebiet am Ende einer Saison öd und verlassen wirkt. Es ist jetzt schon sehr warm und der Fahrtwind kühlt angenehm. Inwischen macht sich auch der Hunger bemerkbar, es geht immerhin schon gegen 13:30 Uhr und ich bin seit gut 7 Stunden unterwegs.

 

Der nächste Richtungsschwenk geht hinauf zum Mendelpass. Etwas unterhalb der Passhöhe stelle ich die V-Strom neben eine Reihe anderer abgestellter Motorräder und lasse mich im Schatten eines Gashauses nieder. Der Hunger wird mit einem Teller Spaghetti Carbonara und der Durst mit einem halben Liter Cola gestillt. Nachdem ich die Beine eine halbe Stunde lang ausgestreckt habe, schwinge ich mich wieder in den Sattel. Schnell bin ich auf der Passhöhe und es geht einige Kehren hinunter nach Kaltern.

Nun ist auch Bozen nicht mehr weit und entlang der Bundesstraße komme ich gut bis Sterzing voran. Gleich hinter Sterzing steht eine Kolonne. Ich schlängle mich gemächlich vorbei. Der Stau reicht mehrere Kilometer bis kurz nach Gossensass. Schuld ist eine Baustelle mit Ampelregelung. Da hat man als Biker gut lachen. Als letzten Pass des heutigen Tages überquere ich noch den Brenner und kurve die Bundesstraße durch das Wipptal. Am Schönberg stoppe ich noch kurz um ein Foto von der Europabrücke zu machen. Um 17:30 Uhr bin ich dann wieder zuhause angelangt. Jetzt steige ich schon nicht mehr ganz so schwungvoll ab :-) Ein herrlicher Tourentag ist zu Ende.